Die Basler Zeitung berichtet am 05. November 2024 über mein nächstes Videoprojekt “Speak-Up”. Ein Artikel von Julia Konstantinidis.

Schüler und junge Erwachsene erstellen Videos gegen Rassismus. Die Werke werden im Rahmen der Woche der Religionen präsentiert.
«Wir sind alle Menschen, egal, was man glaubt.» Cila ist 14 und geht im Prattler Fröschmatt-Schulhaus zur Schule. Ihre Freundin Aileen sagt, sie gehöre keiner Religion an, aber «man sollte andere Religionen respektieren und sie nicht beleidigen».
Dass das im Alltag nicht immer so ist, haben die meisten von Cilas und Aileens Klassenkameraden und -kameradinnen schon erlebt. Sie sei in einer anderen Schule von muslimischen Mitschülern gemobbt worden, weil sie als Alevitin Schweinefleisch esse, sagt Cila. Lendion wiederum musste in der Primarschule Beschimpfungen wie «Scheiss-Araber» über sich ergehen lassen. Das habe ihn auch schon aggressiv gemacht, sagt der 15-Jährige mit Wurzeln in Kosovo. Ein anderer Schüler erlebte Vorfälle, weil er jüdisch ist: «Ich wurde schon blöd angemacht», sagt der 15-Jährige
Die zwei Klassen von Cila, Lendion und Aileen nehmen am Videoprojekt «Speak Up!» gegen Juden- und Muslimfeindlichkeit teil. Initiiert wurde es von den Delegierten der Israelitischen Gemeinde Basel und der Basler Muslim Kommission im Rahmen des runden Tisches der Religionen. Die Idee entstand als Reaktion auf die zunehmenden antisemitischen Vorfälle, aber auch antimuslimischen Ereignisse nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und Israels Gegenoffensive in Gaza. Gezeigt werden die Videos, welche die Schülerinnen und Schüler während mehrerer Wochen drehten, am 14. November im Rahmen der Woche der Religionen. Die Vorführung wird von einer Podiumsdiskussion begleitet.
Zielgruppe geändert
Anders als noch vor einem Jahr reagieren die Verantwortlichen von Inforel bei der aktuellen Ausgabe mit interreligiösen Programmpunkten auf die Ereignisse im Nahen Osten. Die Basler Fach- und Anlaufstelle im Bereich Religion organisiert die Veranstaltungsreihe im Auftrag des Kantons. Im vergangenen Jahr war der damalige Regierungspräsident Beat Jans für sein zögerliches Verhalten kritisiert worden, weil er sich erst eine Woche nach dem terroristischen Angriff der Hamas vom 7. Oktober auf Israel äusserte. Kurzfristige Programmänderungen, die über einen Ausfall einer Veranstaltung hinausgehen, seien nicht möglich, hiess es damals vonseiten des Kantons. Denn das Programm der Woche der Religionen sei bereits Monate im Voraus geplant worden.
Dieses Jahr nun findet der interreligiöse Dialog statt, wie unter anderem das Videoprojekt zeigt. Ganz einfach gestaltete sich das Vorhaben aber nicht. Die anfängliche Idee, das Projekt spezifisch mit jüdischen und muslimischen Jugendlichen durchzuführen, musste im Planungsverlauf angepasst werden. Ereignisse wie die Messerattacke vor einer Synagoge in Zürich, aber auch die Platzierung eines Schweinekopfs vor einer Basler Moschee hätten auf beiden Seiten Sicherheitsbedenken ausgelöst, sagt Projektleiter Rolf Stürm.
Es war deshalb schwierig, jüdische Jugendliche für die Teilnahme am Projekt zu finden. In intensiven Vorgesprächen habe sich gezeigt, dass «eine Beimischung von gruppenfremden Jugendlichen schwierig und nicht opportun sein könnte», so Stürm. Deshalb habe man sich zunächst auf die Arbeit mit den Klassen im Fröschmatt-Schulhaus und mit einer Gruppe Jugendlicher im Prattler Jugendtreff verlegt.
Angst vor Reaktionen
Für die Erarbeitung der Videos mit den Jugendlichen verantwortlich ist Jugendarbeiter Endrit Sadiku. In einer Theater-, Zeichnungs- und einer IT-Gruppe setzten sich die 14- bis 16-Jährigen mit den Themen Rassismus und Diskriminierung auseinander. Dabei herausgekommen sind verschiedene Videoarbeiten, «zum Teil kurz, im Stil von Tiktok», so Sadiku. Es seien aber auch verschiedene längere Arbeiten entstanden, wie etwa eine Diskussionsgruppe oder das Produkt einer Theatergruppe, die eine Liebesgeschichte verfilmte. «Es geht darin um ein jüdisch-muslimisches Liebespaar, dessen Eltern anfänglich gegen die Verbindung sind – es aber am Schluss zu einem Happy End kommt. Diese Botschaft war den Jugendlichen wichtig.»
Er habe den Eindruck erhalten, dass die Jugendlichen unter sich keine grossen Unterschiede der Zugehörigkeiten machen würden, so Sadiku. Vielmehr habe er ein Unverständnis gegenüber der Erwachsenenwelt beobachtet, die diese Unterschiede ebenso sehr betonten. Sadiku: «Ich spürte vonseiten der Jugendlichen Freude, dass sie sich äussern dürfen. Alle wollten und konnten etwas zu den Themen Diskriminierung und Rassismus sagen. Viele sprachen über persönliche Erfahrungen.»
Neben den Videos der Schülerinnen und Schüler werden auch zwei Produktionen gezeigt, die – wie ursprünglich vorgesehen – mit einer Gruppe von jüdischen und muslimischen jungen Erwachsenen zwischen 20 und 25 Jahren entstand. Die vier jüdischen Teilnehmenden kannten sich bereits untereinander, das habe sie trotz der anfänglichen Sicherheitsbedenken schliesslich zur Teilnahme bewogen, sagt eine Frau aus der Gruppe: «Sich öffentlich zu exponieren, ist immer schwierig, denn es kann immer auch zu Gegenreaktionen kommen», so die junge Frau, die auch im Video nicht namentlich genannt wird. Sie habe den Austausch mit den drei muslimischen Teilnehmenden – auch sie kennen sich bereits seit längerem – als sehr wertvoll erlebt: «Es kommt leider zu selten vor, dass sich diese beiden in der Schweiz marginalisierten Gruppen über ihre Erlebnisse austauschen können.»
Ähnliche Erfahrungen
In einem Format diskutierten die jungen Erwachsenen in einer moderierten Gesprächsrunde, die der SRF-Talkshow «Club» nachempfunden ist, über Juden- beziehungsweise Muslimhass. Dabei seien alle sehr darauf bedacht gewesen, aufeinander zuzugehen und einander zuzuhören. Das sei nicht selbstverständlich, sagt die Frau aus Erfahrung: «Häufig sind solche Gespräche festgefahren. Beide Parteien wollen ihren Punkt loswerden, und niemand kommt dazu, sich wirklich auszutauschen.»
Das zweite Format, das mit der Gruppe der jungen Erwachsenen aufgenommen wurde, lehnt sich an das Frage-und-Antwort-Spiel an, das etwa aus der SRF-Sendung «Glanz und Gloria» bekannt ist: Einem Paar – je eine jüdische und eine muslimische Person – wird dieselbe Frage gestellt, die beide Parteien nur mit Ja oder Nein beantworten können. Nachgefragt wurde etwa, ob man je schon aufgrund seiner Religion bedroht worden sei. «Die Übereinstimmung der Antworten war zum Teil erstaunlich», sagt Sadiku.
Projektleiter Rolf Stürm freut sich, dass der Austausch unter explizit jüdischen und muslimischen jungen Erwachsenen im Rahmen des Projekts doch noch stattgefunden hat. In welcher Form das Videoprojekt nach der Woche der Religionen weitergeht, steht laut Stürm noch nicht fest. «Die breite politische Abstützung durch den runden Tisch der Religionen war für den Start sicher sehr sinnvoll, ist aber für die Zukunft zu schwerfällig.» Angedacht sei deshalb ein Wechsel der Projektleitung zu Inforel, der Basler Fach- und Anlaufstelle im Bereich Religion. Da das Projekt weitere finanzielle Unterstützung erhalten hat, ist Stürm sicher, dass das Projekt nach der Woche der Religionen weitergeht.
Veranstaltungshinweis: Zusammen für Menschlichkeit – zusammen gegen Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus Podium und Kurzfilme: Donnerstag, 14. November, 19 Uhr, Stadtkino Basel